REVIEWS FEBRUAR 2018 / 2

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Mary Gauthier – Rifles & Rosary Beads (In The Black Records)

„There is no higher Healing than turning Trauma into Art“, steht auf der Innenhülle dieses Albums. Und da steckt viel Wahrheit dahinter – nur Personen, die viel an Schmerz und menschlichem Leid und an Auf und Ab erlebt haben, können (oder müssen) vermutlich diese Art von tiefgreifender  Musik machen.

Mary Gauthier hat schon immer viel zu sagen und sie nimmt sich den ganz großen Themen an. Dieses ist ihr elftes reguläres Album, von denen es leider einige bislang nur auf CD gibt. Mary Gauthier ist ein Adoptivkind und ist mit 15 Jahren von ihren Adoptiveltern abgehauen und hat auf der Straße gelebt.  Dies hat sie auf ihrem fantastischen Album „The Foundling“ 2011 verarbeitet. Ich hatte das Glück sie in London live in einem Waisenhaus damals spielen zu sehen.

Auf ihrem nun neu erschienen Album „Rifles & Rosary Beads“ nimmt sie sich nun dem Thema Krieg, Soldatentum und Kriegstraumata an. Textlich schildert sie dabei aus der Sicht der zurückkehrenden Soldaten, deren Familien oder den Hinterbliebenen die zerstörerische Kraft dieses ganzen Militär- und Kriegswahnsinns  – dabei  geht es vor allem um die unmittelbaren und zumeist tabuisierten Auswirkungen für die menschliche Seele.

Beim Schreiben der Texte hat Mary Gauthier Angehörige von der Initiative „The War After The War“ mit einbezogen. Hier wird der Krieg als größtes menschliches Verbrechen verurteilt, aber die Menschen, die als Kanonenfutter oder Menschenmaterial geopfert oder missbraucht werden – egal auf welcher Seite – brandmarkt sie nicht.

Musikalisch ist das alles wunderbar warm und tiefgreifend instrumentiert. Das ist Singer/Songwriter-Americana vom allerallerbesten.

Bewertung: 9.75/10

The James Hunter Six – Whatever It Takes (Daptone)

Das dritte Album der James Hunter Six für Daptone Records wurde live im Studio direkt auf ein analoges 8 Spur Kassettengerät aufgenommen. Hunter und seine Band sind die einzigen Engländer, die auf dem Daptone Label veröffentlichen und klingen mehr nach Early Sixties-Soul als alle anderen Label Artists. In James Hunters Gesang schwingen wie immer die ganz großen des Soul wie Sam Cooke, Clyde McPhatter, Chuck Jackson, Solomon Burke und Jackie Wilson mit. Hunter musiziert und veröffentlicht schon seit Anfang/Mitte der 1980er Jahre und hat schon viele gute Alben veröffentlicht. Seine Band ist dank hunderten von Gigs über alles erhaben. Ich konnte James Hunter und Band 2010 bei einem Northern Soul Allnighter sehen und miterleben wie Hunter eine zuerst übercoole und gelangweilte Soul-Hipstercrowd in Ekstase gespielt hat. Eine der besten männlichen Soulstimmen der Gegenwart hat mit seiner grandiosen Band ein großartiges Album veröffentlicht. Viel besser geht’s nicht.

Bewertung: 9.5/10

Shame – Songs Of Shame (Dead Oceans)

Ich habe ja grundsätzlich ein Faible für Bands aus South London. Ist Facebook noch ein Seismograph? In dem Falle schon! Als ich das letzte Mal vor Weihnachten geschaut habe, hatte die Band um die 2000 Follower und nun sind es 18 000. Vor kurzem haben Shame noch in der Windmill in Brixton vor 50 Leuten gespielt und demnächst stehen sie vermutlich auf der Pyramid Stage in Glastonbury. Aber ungeachtet dieses Hypes ist die Platte tatsächlich richtig gut – es ist ja auch nicht immer nur so, dass irgendein Schrott gehyped wird und durch die Decke geht.

Stücke, wie das bereits im letzten Jahr auf 7“ erschiene „Concrete“ und „One Rizla“ erinnern mich mehr an Bands wie The Chameleons und Radio Four als an The Fall, mit der die Band ja zumeist verglichen wird. „Tasteless“, ein Stück das letztes Jahr ebenfalls schon als 7“ erschienen ist, atmet den Geist von Bands wie Gang of Four, aber mit einem rotzigeren Punkeinschlag. Alles in allem sind das zehn überwiegend druckvolle,  hymnische und vor allem im positiven Sinne eingängige Postpunksongs mit Leidenschaft und Biss. Ein großartiges Debutalbum. Believe the Hype!

Bewertung: 9.5/10

H.C. McEntire – Lionheart (Merge Records)

Nach Mary Gauthier sofort zur nächsten (musikalischen) Außenseiterin. Dieses erste Soloalbum klingt nach dem was man inzwischen wohl Alt. Country nennt und lebt von der  souligen  Stimme, der inzwischen 36-jährigen Heather McEntire aus North Carolina, die vor einigen Jahren mit der Band Bellafea (2008) debütierte und danach drei Alben (2011, 2013 und 2016) mit ihrer Band Mount Moriah herausbrachte. Thematisch geht es auf dem Album um das konservative Alltagsleben im Süden der USA und um McEntires homosexuelle Selbstfindung, die sie mit Mary Gauthier gemeinsam hat, was diese aber schon vor 20 Jahren zum Thema machte – aber Gauthier ist natürlich auch deutlich älter. Ein sehr erdiges, warmes und sehr persönliches Album mit wirklich tollen Songs.

Bewertung: 9/10

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