Träume aus dem Untergrund – Stuttgart verortet sich in der Popgeschichte. Mit Ausstellung und aufwändiger Dokumentation konnte der Weg des Punk nach Stuttgart verfolgt werden und ein Buch, erschienen im Tübinger Silberburg-Verlag, begibt sich in die Jahre, so der Untertitel, „als Beatfans, Hippies und Folkfreaks Baden-Württemberg aufmischten“. Es geht, so der Werbetext, um die populäre Musik im „wilden Süden in den 60er und 70er Jahren“.
SWR Beitrag vom 12.10.2017 Dauer: 5:01 min
Wild, wilder, aber reflexiv und wenig vergangenheitsbesoffen beschäftigt sich die Kombination – Buch und DVD – Wir werden immer weitergehen mit den alternativen Musikszenen in Hamburg und Berlin. Sie werden visualisiert, die gleichnamige DVD bietet den besten und schnellen Einstieg, das Buch mit 20 Beiträgen und zahlreichen SW- und Farbabbildungen. Der Zeitrahmen bleibt offen, von 2012 aus wird ein Blick zurück geworfen, in der Hauptsache auf die Jahre nach 2000, aber auch die 80er und 90er sind immer präsent. Schön an dieser Dokumentation, es geht immer um das Machen, den Aufbruch, die Idee, etwas auf den Weg zu bringen, und die Ausdauer, dabeizubleiben. Es geht um Niederlagen, Insolvenzen und hohe Schulden, um Nebenjobs, behördliche Auflagen, um Widerstände, aber auch um Lösungen und Aus- und Umwege. Es geht um Proberäume, Aufnahmestudios, kleine Labels und große Majors, Vertriebe (EFA = Energie für alle), Schallplattenläden und die zerstörerische Preispolitik der Handelsketten. Es geht um Musik („Life is too short for boring music“), Trash, Punk, Wave, Techno, House, Dub… Es geht um Clubs, die Lokalitäten der Szenen, behördliche Auflagen und das Geld und die Finanzen. Sehr amüsant: der Ausschnitt aus einer Sitzung des Bundestags zur ökonomischen Seite der Rock- und Popmusik.
Im Zentrum des Rückblicks stehen zwei Fragen: „Was bedeutet Dir Erfolg?“ und „Was bedeutet Dir Unabhängigkeit?“ Die Antworten sind auch nach Jahren interessant.
„Mit Musik anzufangen, ist einfach, weiterzumachen, ist nicht so einfach.“ Francoise Cactus
„Solange es Menschen noch hören wollen und Leute zu Konzerten kommen, kann man nicht damit aufhören.“ Christiane Rösinger
„Es ist ja immer mehr als ein Laden gewesen, eine Verwahranstalt, eine Kuddelausschankstelle, eine Bahnhofsmission.“ Uli Rehberg über seinen Schallplattenladen ‚Unterm Durchschnitt‘
„Ich sah Bands auf der Bühne, die überhaupt nicht spielen konnten, aber irgendwie doch sehr gute Energie freisetzten.“ Dimitri Hegemann
„Wir haben es einfach gemacht, ohne große Kenntnisse darüber, wie man so was betreibt.“ Alfred Hilsberg
„Ich bin jetzt gut 35. Ich habe immer noch dieselben Hobbys wie mit 20 und frage mich, wie lange soll das noch so weitergehen.“ Jim Avignon
„Wenn wir keine gute Musik mehr finden, dann haben wir letztlich auch keine Existenzberechtigung mehr.“ Nikel Pallat
„Umso schmerzlicher man daran kaut, was man eigentlich mal sein und darstellen wollte, aber leider nicht geworden oder geblieben ist, umso bitterer wird das Altern. Abschied von fremden Ansprüchen ist hier das Einzige, was hilft um das quälende Schamgefühl aufzulösen, das den eigenen Wunsch nach Würde am aggressivsten stört.“ Till Briegleb