09.04.1977 – MEIN ERSTER PLATTENSPIELER UND MEINE ERSTE SCHALLPLATTE
Nachdem ich zu Weihnachten 1976 einen Grundig C4200 Kassettenrekorder bekam, war es am Ostersamstag, den 09.04.1977 endlich soweit: Ich bekam einen Plattenspieler.
Mein Vater und ich fuhren mit unserem goldenen Taunus 2.0 Chia von Hochdorf nach Reichenbach zu Radio Fischer. Im dortigen Fachgeschäft gab es nur Dual Plattenspieler, also bekam ich einen HS 130SL – nicht der billigste und auch nicht der teuerste. So kauften wir immer ein. Ich war sehr zufrieden. Dazu kauften wir noch ein Überspielkabel, damit ich nun auch Kassetten direkt vom Plattenspieler aufnehmen konnte. Das war das Optimum an Hightech.
Plattenspieler und Überspielkabel kosteten irgendwas um 330 DM. Und nun kam es – ich durfte mir noch eine Schallplatte aussuchen. Es gab drei zur Auswahl: Beatles – „Red Album“, Deep Purple – „Stormbringer“ oder Status Quo – „Blue for You“. Nach langem hin und her entschied ich mich für Status Quo.
Nachdem ich zuvor nur Fan von Borussia Mönchengladbach, Plumpaquatsch, Dr. hc. Cäsar, Hong Kong Pfui, Wickie, Daktari und dem feuerroten Spielmobil war und lediglich ein paar Tapeversuche mit dem C4200 unternommen hatte, stieg ich nun also ins große Universum der Schallplattenwelt ein. Über Nacht wurde ich zum Status Quo-Fan.
Gleich am Dienstag nach Ostern fuhr ich mit dem Rad zu Radio Kordewich, dem zweiten Fachgeschäft in der Großstadt Reichenbach. Ich wollte wissen, was es mit „Stormbringer“ auf sich hatte. Für stolze 22 Mark erwarb ich die Platte. Nun war ich auch Deep Purple-Fan.
Komplett verhängnisvoll wurde es, als mir wenige Tage danach der ältere Bruder eines Freundes ein gelbes Heftchen des Govi-Schallplattenversandes schenkte. Ich blätterte es rauf und runter und strich an was ich alles von Zeitschriften und vom Radio her kannte. In kurzer Zeit lernte ich so den kleinen Katalog auswendig. Dort stand, dass Govi einen Laden in Stuttgart auf dem Kleinen Schloßplatz hatten – da musste ich hin!
Ich betrieb so lange Lobbying, bis wir ein paar Wochen später tatsächlich hinfuhren. Es war das Paradies. Ich hatte 110 Mark Budget und gab es binnen zwei Zigarettenlängen meines Vaters (der vor dem Laden wartete) aus. Das war aufregend. Ich kaufte in der großen Erwachsenenwelt ein.
Im Laden konnte man vor Rauch kaum atmen und es waren lauter Langhaarige mit abgeschnittenden Jeansjacken und Aufnähern von Status Quo, Deep Purple, Black Sabbath, Kiss, Rainbow und diverser Motorradmarken im Laden. Die lungerten vor der Kasse herum. Die Musik war laut aufgedreht. Das war sie also, die große weite Welt. Ich wusste zum Glück, was ich wollte. Keiner fragte mich irgendetwas.
Beim Bezahlen kommentierte der langhaarige Verkäufer meine Auswahl Platte für Platte lautstark und wohlwollend. Das bestärkte mich. Zum Abschluss bekam ich den neuen Govi-Katalog und eine Liste mit Konzerten in die beiden gelben Tüten gepackt, die in der nächsten Zeit stattfinden sollten.
Nun war ich auch Fan von Thin Lizzy (Jailbreak), AC/DC (Dirty Deeds Done Dirt Cheap), Rainbow (Rising), Black Sabbath (Master of Reality) und Rory Gallagher (Calling Card). Dazu kaufte ich noch Deep Purple „In Rock“ und „Burn“ und Status Quo „Live“.
Ich war in kürzester Zeit zum Schallplattenliebhaber und Hardrocker geworden. Borussia Mönchengladbach errang die dritte Meisterschaft in Folge und zog ins Endspiel um den Europapokal der Landesmeister ein. Ich schoss 6 Tore beim 9:0 gegen Lichtenwald. Erfolreicher hätte mein Einstieg in die Präadoleszenz nicht verlaufen können. Plumpaquatsch adieu.