Anbei Kurzbesprechungen von Schallplatten, die ich in den letzten Wochen gekauft habe und die gerade erst erschienen sind. Mich hat niemand bemustert und niemand bezahlt, von daher enstpricht dies alles nur meinem subjektiven Musikgeschmack.
Neu gekauft LPs Oktober 2017 Kurzdurchlauf Besprechung Reviews Neuheiten
Eilen Jewell – Down Hearted Blues (Signature Sounds)
„Sea of Tears“ von 2009 war damals eine meiner absoluten Lieblingsplatten und „Boundary County“ das Debutalbum von Eilen Jewell aus dem Jahre 2005 finde ich hervorragend. Mit ihren letzten Veröffentlichungen tat ich mich hingegen schwer. Als ich nun las, dass eine LP mit Bluescoverversionen von Eilen Jewell herauskommt, interessierte ich mich zuerst gar nicht dafür. Doch im Gegensatz zum unlängst veröffentlichten Album von Van Morrison „Roll with the Punches“, welches sich ebenfalls der Blueshistorie widmet, ist das was Eilen Jewell mit ihrer Band auf „Down Hearted Blues“ abliefert hervorragend. Die Songauswahl – es werden Songs von Little Walter, Bo Diddley, Memphis Minnie, Charles Sheffield, Albert Washington, Howlin‘ Wolf, Big Maybelle, Willie Dixon interpretiert – ist sehr gelungen, doch der größte Trumpf ist wie immer der überragende Gitarrist Jerry Miller, der viele Songs zu etwas ganz besonderem macht.
Bewertung: 9.25/10
The Lords of Thyme – Pellets (Sunstone Records)
Nach der tollen Single „Proud Maisre“ / „If I was a Bird“ von 2014 liegt nun das erste Album von The Lords of Thyme „Pellets“ auf Vinyl vor. Das klingt beim oberflächlichen Hören tatsächlich wie eine britische Folkrockband von 1969, also sehr nach Pentangle, Fotherigay, Fairport Convention etc. – aber damit würde man The Lords of Thyme unrecht tun. Sie haben eine eigene ganz spezielle Note, das klingt alles sehr locker und wunderbar sphärisch schwebend. Großartige Songs, interessante Arrangements. Psychedelic Folk at it’s very best.
Bewertung: 9.25/10
Pere Ubu – 20 Years in a Montana Missile Silo (Cherry Red Records)
Pere Ubu waren für mich bis Anfang der 1990er Jahre eine meiner absoluten Lieblingsbands. Dann gab es ihre Alben nicht mehr auf Vinyl und ich verlor sie aus den Augen. Über die neue Veröffentlichung bin ich mehr oder weniger durch Zufall gestolpert. Schön, dass man mit dem Sound der Band auch noch heutzutage lokale Plattenhändler psychosomatisch stressen kann, wenn man sie im Laden auflegt. Dabei sind das ähnlich zugängliche Pere Ubu auf „20 Years“, wie damals Ende der 1980er Jahre auf „Tenement Year“ und „Cloudland“. Ein sensationell klarer und erdiger Sound, die Songs ziemlich geradlinig punkig/bluesig/flächig und sehr eingängig angelegt. Damit hätte ich nicht gerechnet. Ein spätes Meisterwerk einer großen Band.
Bewertung: 9/10
The Len Price 3 – Kentish Longtails (JLM Recordings)
Das inzwischen fünfte Album einer meiner liebsten Medway-Bands ist so etwas wie eine kleine Abrechnung mit den ganzen Musikbusinessschwätzern und den diversen Verhaltensweisen, die sich so in der Musikszene ausgeprägt haben. Gleich der erste Song „Childish Words“ ist an Billy Childish adressiert und so hangeln sie sich vor bis zu den ganzen Camden Hipsterbands, die ja eigentlich nichts anderes als doofer Hype sind. Musikalisch ist das wie immer eine großartige Mischung aus Modpunk von 1979 und den großen englischen Bands der 1960er Jahre The Kinks, The Who und The Beatles. Aber eben im eigenständigen Kontext der The Len Price 3 im Jahre 2017. Eine geradlinige und angriffslustige Platte einer tollen Band.
Bewertung: 9/10
Grade 2 – Break the Routine (Contra Records)
Ein sehr junges Trio – sie sind Jahrgang 1997 oder 1998 – von der Isle of Wight, mit bereits ihrem zweiten Album. Doch selbst die späteren großen Bands (nicht nur des Punk) waren ja alle nicht viel älter, als sie ihre ersten Releases einspielten. Musikalisch ist das klassischer, sehr facettenreicher englischer Streetpunk/Punkrock mit wunderbar melodischen Refrains, gutem Songwriting und gesellschaftskritischen Texten. Großartig!
Bewertung: 9/10
Michael Head & The Red Elastic Band – Adios Senior Pussycat (Violette Records)
11 Jahre ist es her seit Michael Head mit „The Shack – On the Corner of Miles an Gil“ sein letztes richtiges Album veröffentlicht hat. Seitdem gab es eine Single (2015) und eine EP (2013), sonst nichts. Adios Senior ist nun exakt das wunderbare und unglaublich warme Album geworden, was man sich immer von ihm gewünscht hat – wären die Byrds aus Liverpool gekommen, sie hätten so ähnlich geklungen. Es ist das erste Album in seiner Karriere welches Head, inzwischen 55 Jahre alt, in „cleanem“ Zustand gemacht hat, nachdem er über Jahrzehnte mit diversen Substanzen so seine Probleme hatte. Geht doch auch so.
Bewertung: 9/10
Wild Billy Chyldish CTMF – Brand New Cage (Damaged Goods Records)
Im selben Zeitraum wie Michael Head (11 Jahre) hat Billy Childish unter diversen Bandnamen und in verschiedenen Konstellationen 19(!) LPs und unzählige 7“-Singles veröffentlicht. Sein Backingkatalog bzw. Output ist ja selbst für Insider nicht so wirklich überschaubar. Falls da mal jemand ein gescheites Buch schreiben möchte mit ordentlicher Diskografie über Childish und die ganzen Medway-Bands, ich würde es kaufen. Brand New Cage ist die fünfte LP mit CTMF seit 2013 und sie ist wieder sehr gut geworden. Mir fehlt so ein bisschen das ganz besondere Element, das die Vorgängerplatten und besonders die LP „Hinterstoißer Traverse“ von 2013 zu einer der besten Platten der 2010-Jahre gemacht hat. Gutes Storytelling wie immer, gute Songs – scheppernder Garage-Punk/R’n’R mit Charmefaktor 10, aber kein weiteres Meisterwerk – „nur“ eine wirklich gute Platte.
Bewertung: 8.25/10
Stone Foundation – Live Rituals 2LPs (100% Records)
Die Zusammenarbeit mit Paul Weller, der das im März 2017 erschiene tolle siebte Studioalbum „Street Rituals“ von Stone Foundation produzierte, hat deren schon ewig andauernden Karriere einen ziemlichen Schub in den letzten Monaten gegeben. Klar, dass man das Eisen schmieden muss, so lange es heiß ist und so schiebt man nun sofort ein Livealbum nach. Von den zwölf hier nun vorliegenden Titeln sind acht aus Street Rituals. Paul Weller gastiert natürlich bei „Your Balloon is rising“ und beim Marvin Gaye-Klassiker „What’s going on“. Der relaxte Vibe und der smoothe Flow, der die Band ausmachen, wird auch live hervorragend transportiert. Ein sehr ansprechendes Livealbum einer typisch britisch klingenden Soulband.
Bewertung: 8.5/10
The Clientele – Music for the Age of Miracles + 7“ (Tapete)
Das erste Clientele Lebenszeichen seit 2010. Auch damit hätte man nicht unbedingt gerechnet, dass es nochmals eine aktuelle Veröffentlichung von dieser Band gibt. Mehr Indiebritpop geht ja bekanntlich nicht, obwohl die wunderbare Schönheit und der magische Zauber der ersten drei Clientele Alben (Suburban Lights, Violet Hour, Strange Geometry) auf dieser aktuellen Veröffentlichung nur selten erreicht werden. Trotzdem ist es ein schönes und entspanntes Werk geworden, das mit guten Kompositionen aufwartet.
Bewertung 7.5/10
Zara McFarlane – Arise (Brownswood Recordings)
Das dritte Album von Zara McFarlane, einer 33-jährigen Londonerin mit jamaikanischen Wurzeln, geht noch weiter weg vom klassischen Vocaljazz, so wie es das zweite Album schon angedeutet hat. „Arise“ klingt nun nach einer ziemlichen Jazz/Carribean/Reggae-Melange, die sehr perkussiv aufgebaut ist und von ausladenden Vokalharmonien dominiert wird. Die 12 Songs atmen überwiegend einen lässigen Ethno-Vibe, der sehr poppig und mir bisweilen ein wenig zu glatt und perfekt daherkommt.
Bewertung: 6.75/10